Ab dem 15. Jahrhundert begannen Wohlhabende aus Adel, Klerus und Bürgertum in ganz Europa Objekte, Artefakte, Bilder zu sammeln, diese in speziellen Räumen zu inszenieren und diese Räume ihren Besuchern zu zeigen. Zweierlei Motive wurden damit verfolgt: Einerseits konnten sie dadurch ihre Macht und ihren Einfluss demonstrieren, neu erfahrenes Wissen um naturwissenschaftliche Zusammenhänge konnte gezeigt werden. Es ging dabei um die Aura, um Einfluss aber genauso auch ums Staunen, ums Verzückt-Sein. Andererseits war es das Ziel, die äussere Welt, den Makrokosmos, in diesen Räumen in Form eines Mikrokosmos abzubilden und durch die bewusste Gegenüberstellung der Objekte, die Schöpfung und eine kosmische Ordnung darzustellen. Dabei herrschte zwischen den einzelnen Objekten, ob sie natürlichen oder künstlichen Ursprungs waren, eine Gleichwertigkeit. Kunst- und Wunderkammern waren dabei nicht nur Sammlungen, sondern subjektive, visuelle Reflexionen und lyrische Interpretationen einer Weltaneignung durch deren Schöpfer.
In diesen Räumen fand eine Vernetzung zwischen vorhandenem Wissen und einem feinen Ahnen über Zukünftiges statt. Entscheidend für die Entstehung der Wunderkammern war zudem die Erfindung der Zentralperspektive im 15. Jahrhundert, denn durch sie wurde erstmals die ordnende Struktur des Raumes wahrgenommen. Dadurch konnten Dinge bewusst miteinander in einen räumlichen Bezug gesetzt werden. Die gesamte Welt konnte sich so in der räumlichen Endlichkeit einer Kammer spiegeln.
Die Tradition des christlichen Reliquienkults, bei dem das Sammeln und das bewusst mystisch überhöhte Zurschaustellen der Objekte zelebriert wurde, spielte bei der Inszenierung der Objekte zusätzlich eine tragende Rolle. Wunderkammern können als die Vorläufer der ersten Museen betrachtet werden.